„Gemeinsam – Miteinander. 550 Jahre Beckumer Bauknechte. 750 Jahre Kollegiatsstift St. Stephanus“ Rudolf Grothues, August 17, 2017Juni 21, 2018 Mit dem Bundestagsabgeordneten Bernhard Daldrup im Gewand der ehemals einflussreichen Chorherren Sehr geehrter Herr Dr. Gesing! Sehr geehrte Bauknechte und Baumägde! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist Sonntag Morgen, 11 Uhr im Stadtmuseum Beckum, das Haus platzt aus allen Nähten: Es ist Ausstellungseröffnung, die meisten hier im Raum sind schon oft zu diesem Anlass erschienen. Doch heute geht es nicht um zeitgenössische Kunst wie sonst üblich, sondern es geht um das Miteinander in unserer Stadt, um die Sorge füreinander, um Vielfalt und Gemeinsamkeit, um Gemeinschaft und um gegenseitige Unterstützung. Die beiden Jubiläen, 750 Jahre Kollegiatstift St. Stephanus und 550 Jahre Bruderschaft der Beckumer Bauknechte bilden die Anlässe für diese besondere und wie ich finde spannende Ausstellung. Wir blicken zunächst weit zurück ins Mittelalter und beginnen im Jahr 1267: Beckum ist eine blühende Ackerbürger- und Handelsstadt mit zirka 1.000 bis 1.500 Einwohnerinnen und Einwohnern. 43 Jahre zuvor wurde Beckum erstmals urkundlich als „Stadt“ erwähnt. Beckum ist umgeben von einer Stadtmauer mit 4 Stadttoren und 22 Wachtürmen sowie von weiteren Wallanlagen, die die Äcker umfassen, die rund um die Stadt bewirtschaftet werden. Beckum befindet sich in einer Blütezeit, die Stadt ist sehr wohlhabend. Da beschließt Heinrich von Meppen gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Brüdern die vom Vater geerbten Güter bei Osnabrück zu verkaufen und den Erlös dafür zu verwenden, Ländereien in Beckum zu erwerben. Die Familie hat offensichtlich eine enge Verbindung zu Beckum, so soll schon ein Onkel Heinrichs an der Beckumer Kirche als Vikar und Seelsorger tätig gewesen sein. So weit, so spannend, doch die von Meppens lassen sich nicht einfach auf den Beckumer Gütern nieder und bewirtschaften sie zu ihrem eigenen Vorteil, nein sie gründen das Stift Beckum und übertragen die Güter dieser Einrichtung. So schaffen sie die Voraussetzung dafür, dass ihr Vermögen weit über ihr eigenes Leben hinaus in Beckum Gutes bewirkt. Die Einnahmen aus den Ländereien werden für die sogenannten Pfründe verwendet, das sind Einkommen in festgelegter Höhe, die die Kanoniker, die Bewohner des Stiftes, erhalten. Dafür übernehmen sie Aufgaben: Sie sind für die Gottesdienste und die Stundengebete zuständig und sie richten die erste Beckumer Schule ein. So haben die Begründer des Kollegiatstifts jahrhundertelang das Leben in Beckum mitbestimmt und bereichert. Und auch wenn man heute feststellen muss, dass das Stift mit der Zeit verarmte und die Kanoniker in späteren Jahrhunderten in ihrer Lebensführung nicht mehr den ursprünglichen Ansprüchen entsprachen, so hat es doch für eine sehr lange Zeit seinen Sinn erfüllt. Die heutige Ausstellung zeigt uns viele weitere Beispiele aus Beckums Historie und aus der Gegenwart, die von Gemeinsinn zeugen. Ich verspreche Ihnen, meine Damen und Herren, dass Sie allein über die große Anzahl genauso erstaunt sein werden wie ich es bin. Es geht ja nicht nur um Stiftungen, sondern auch um viele weitere kirchliche und weltliche Vereinigungen, um Privatinitiativen und verschiedene Formen von Fürsorge. Hierzu gehören zum Beispiel die Zünfte und die Ständevereinigungen und – nicht zu vergessen – die Bruderschaften. Und damit komme ich zu einem wichtigen Schwerpunkt meiner Ansprache. Von den zahlreichen Beckumer Bruderschaften, die es über die Jahrhunderte gab, existiert heute nur noch eine einzige, das ist die Bruderschaft der Beckumer Bauknechte. Ich freue mich, dass heute Morgen viele Bauknechte hier sind. Sie sind ja leicht zu erkennen an den blauen Kitteln, und auch der Pritschenmeister Franz-Josef Möllers ist leicht zu erkennen, nämlich an dem Hut mit der Mettwurst. Euch und Ihnen allen ein herzliches Willkommen! Die Bruderschaft wird erstmals 1467 schriftlich erwähnt, ist also vermutlich noch älter als 550 Jahre. Die Bauknechte, genau genommen Bauernknechte, schlossen sich zusammen, um in der Gemeinschaft mehr zu wiegen und gemeinsam Rechte und Ansprüche durchzusetzen, aber auch um gemeinsam zu feiern. Noch heute pflegen die Bauknechte alte Traditionen, wie das gemeinsame Feiern von Maria Lichtmess und die Veranstaltungen rund um Karneval, das sind Pülverkesabend, Schmiedenachmittag und Heischegang. Darüber hinaus setzt sich die Bruderschaft unermüdlich dafür ein, das Brauchtum und das kulturelle Erbe in Beckum zu vermitteln und zu bewahren. So haben die Beckumer Bauknechte in den vergangenen Jahrzehnten für zahlreiche Projekte beeindruckende Summen bereitgestellt. Nicht wenige davon hätte es ohne Sie nicht gegeben. Ich nenne ein paar Beispiele: die Emaille-Straßenschilder in der Beckumer Innenstadt, die Restaurierung der Friedhofstore und der Mariensäule, die Finanzierung von Gedenksteinen auf ehemaligen Friedhöfen, Zuschüsse für die Sanierung von Höxberg-Mühle und Dormitorium, die Unterstützung zahlreicher Ankäufe für das Stadtmuseum, oder auch die Finanzierung des Steinkühler-Theaterstücks, das Kindern die schwere Arbeit eines Steinkühlers auf wunderbar unterhaltsame Art näherbringt. Es gibt viele weitere Projekte, die ich hier gar nicht alle nennen kann. An dieser Stelle spreche ich Euch und Ihnen für dieses herausragende Engagement meine Anerkennung und meinen herzlichen Dank aus! Ich freue mich, dass sich ein Raum in dieser Sonderausstellung mit der 550-jährigen Geschichte und den Traditionen der Bauknechte beschäftigt und die Bruderschaft so eine besondere Aufmerksamkeit erhält, die sie ganz sicher verdient. Ich wünsche den Bauknechten und –mägden, dass es ihnen gelingen möge, die Begeisterung für die Bruderschaft und für ihre Traditionen an junge Generationen weiterzugeben und diese besondere Gemeinschaft so weiterlebt! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bauknechte sind ein hervorragendes Beispiel für eine Gemeinschaft, die schon sehr lange Bestand hat. Andere Gemeinschaften und Projekte haben die Jahrhunderte nicht überdauert, hatten in ihrer Zeit aber sicherlich ihre Aufgaben und ihre Berechtigung. Es stellt sich ja die Frage, warum Menschen ihre Energie, ihre Zeit, ihr Wissen und ihr Vermögen hergeben, um anderen Menschen Gutes zu tun. Die Ausstellung gibt ganz unterschiedliche Antworten auf diese Frage. Oft gab und gibt eine religiöse Motivation. Ob es nun Frömmigkeit oder Barmherzigkeit ist, Gottesfurcht oder gar die Furcht vor dem Fegefeuer, viele Initiativen haben ihre Ursprünge sicherlich im Glauben oder in dem, was zu verschiedenen Zeiten dafür gehalten wurde. Manchmal gibt es auch schlicht eine finanzielle Motivation, sich für eine Sache zu engagieren. So überschrieb die Familie von Meppen vor 750 Jahren ihr Vermögen zwar dem Stift Beckum, gleichzeitig sicherte sie den Brüdern und auch der Mutter zu ihren Lebenszeiten Einnahmen aus dem Vermögen zu und verschaffte sich so eine finanzielle Sicherheit. Heute gibt es für Spenden an gemeinnützige Organisationen und für Stiftungen steuerliche Vorteile, diesen Aspekt darf man sicherlich nicht außer Acht lassen. Und natürlich gewinne ich an Einfluss, unter Umständen sogar an Macht, wenn ich mich mit anderen zusammenschließe oder Gutes für andere tue. Auch dies ist eine Triebfeder. Doch ich möchte behaupten, dass die größte Motivation für gegenseitige Hilfe und Unterstützung immer noch die Freude ist, die man dadurch erzeugt. „Geteilte Freude ist doppelte Freude“, wir alle kennen diesen Ausspruch und ich denke, dass diese Antriebsfeder auch schon bei der Gründung des Kollegiatstiftes Beckum im Jahr 1267 eine Rolle spielte genauso wie es die Bauknechte seit mehr als 550 Jahren bewegt. Aber auch alle anderen, die sich in unserer Zeit für die Gemeinschaft engagieren: im sozialen und kulturellen Bereich, im Sport oder wo auch immer: ohne freiwiliiges und ehrenamtliches Engagement kann unsere Gesellscahft garnicht mehr funktionieren und daher sei an dieser Stelle allen Angesprochenen gedankt. Ich danke Herrn Dr. Gesing und allen, die bei der Erstellung dieser Ausstellung mitgewirkt haben, herzlich dafür, dass sie diesen Teil der Beckumer Geschichte aufbereitet haben. Wenn eine Ausstellung aufgebaut ist und alles so stimmig und logisch aufeinander abgestimmt ist, bekommt man schnell den Eindruck, dass dies doch nicht so schwer gewesen sein kann. Ich möchte behaupten, dass es genau umgekehrt ist: Je stimmiger die Ausstellung, desto aufwendiger die Vorbereitung. In diesem Sinne gilt Ihnen, Herr Dr. Gesing, meine Hochachtung für diese gelungene Präsentation. Deshalb hoffe ich auch sehr, dass die Ausstellung in den kommenden viereinahalb Monaten die Aufmerksamkeit erlangen wird, die sie verdient hat. Ich gebe nun gern das Wort an Sie weiter und wünsche Ihnen, meine Damen und Herren, viel Freude bei der Erkundung der Ausstellungsräume! Kunst/Kultur